Es gibt Männer, die brauchen keinen Sex mehr, die machen jetzt Milchschaum.
Und stellen ihre Espressomaschinen-Träume per Digitalfoto ins Netz...
So beginnt Ursula Otts Geschichte über Männer und Kaffeetrinken aus dem Buch
» "Café Wunderbar. Fragen und Antworten zu einem heißen Getränk".
Die Autorin hat sich in einschlägigen Internetforen getummelt und verrät unter anderem,
wie die Kaffee-Experten dort mit "Weiberfragen" umgehen.
Es gab eine Zeit, und sie ist noch keine 20 Jahre her, da konnte eine Frau einen Mann noch beeindrucken mit einer guten Tasse Kaffee. Der Mann an sich sah Essen als mehr oder weniger notwendige Überlebensmaßnahme an und Kaffeetrinken als Dröhnung. Und zur Dröhnung musste es noch nicht mal Jacobs Krönung sein, es reichte auch der Aldi- Kaffee für paar Mark fünfzig und selbst wenn er schon zwei Stunden auf der Wärmeplatte der Kaffeemaschine stand - ihm war's egal. Der Mann trank ihn in großen Mengen, den Filterkaffee, notfalls mehrere Liter am Tag. Er schleppte ihn in Thermoskannen mit sich herum, deren Dekor darauf schließen ließ, dass sie noch von Mama stammten. Er trank ihn aus Bürotassen, auf denen alberne Mickymäuse langsam verblassten, und in deren Innerem sich archäologische
Schichten von Kaffeeresten übereinanderlegten.
Da konnte eine Frau noch punkten, wenn sie ihm statt Filterkaffee einen Cappuccino anbot. Die Sekretärin zeigte Einsatz, wenn sie einen Stock höher lief, um dem Chef statt Bürokaffee einen doppelten Espresso aus dem WMF- Automaten zu holen. Und Frauen-WGs besaßen meist sämtliche Größen der original italienischen Cafetieras, die wie russische Matroschka-Puppen in der WG- Küche nebeneinanderstanden. Wenn eine der Frauen einen Kerl mit nach Hause brachte, begann eine langwierige Prozedur: Cafetiera auseinanderschrauben, Schimmelreste vom Dichtungsgummi abkratzen, Maschine auf den Herd stellen und bloß nicht den Moment verpassen, wenn das heiße Wasser oben aus dem Dampfrohr quillt - sonst lief die kochende braune Brühe über, und die Herdplatte war ruiniert.
Toll schmeckte er nicht, dieser Espresso, und mehr als zwei Tassen kriegte man selbst aus dem XL-Modell kaum herausgequetscht. Dem Mann war's im Prinzip egal, er hätte im Zweifelsfall einen Nescafé aus der Tüte bevorzugt, und dann ab in die Kiste. Aber er zeigte sich dennoch stets beeindruckt von dem mühsam zubereiteten Getränk, umso mehr, als die deutsche Frau meist von einem Luigi oder Paolo schwadronierte, der ihr das Ding in Florenz oder Mailand angedreht hatte.
Nun, diese Zeiten sind vorbei, vorbei. Längst ist Kaffee Männersache. Die Zeitläufte überschlugen sich, der deutsche Mann wurde älter und gesundheitsbewusster. Mit zunehmender Problematisierung seines unteren Blutdruckwertes reduzierte er seinen literweisen Filterkaffeekonsum. Zudem kam ihm mehr und mehr die Kaffee kochende Frau abhanden, ach was, überhaupt die kochende Frau. Ein Mann, der nicht kochen kann, das geht gar nicht mehr auf dem Beziehungsmarkt, seit Bulthaup seine Küchenprospekte nur noch mit Best Agers in schwarzem Rollkragenpulli und weißer Halbschürze garniert. Frauen braucht der moderne Küchenbauer nur noch für die niederen Arbeiten am Schnibbelbrett und der Spülmaschine. Alles was verchromt ist und glitzert, ist Männersache, Frauen stehen bestenfalls bewundernd daneben. Ob im Fernsehen bei Jamie Oliver und Tim Mälzer oder zu Hause.
Und so kann es einer Frau im Jahr 2007 passieren, dass sie einem Kerl nach der obligatorischen Frage "Kommst du noch auf einen Kaffee mit rauf?" einen doppelten Espresso aus ihrer alten Gaggia-Maschine kocht. Und er ihr darauf die seltsame Frage stellt: "Kann es sein, dass du möglicherweise zu viel im Sieb hast?" Auf alle möglichen Fragen ist eine Frau gefasst, wenn sie einen Mann mit nach Hause nimmt. Hast du Kinder? Nimmst du die Pille? Vielleicht sogar: Kann es sein, dass du einen im Tee hast? Aber die Frage "Zu viel im Sieb?" sollte die moderne Frau sofort als Warnzeichen interpretieren: Dieser Mann braucht gar keine Frau. Dieser Mann hat schon eine Espressomaschine. Und zu der pflegt er ein libidinöses Verhältnis.
Nein, das ist überhaupt nicht übertrieben. Wer sich in den einschlägigen Seiten der Kaffeeforen im Internet tummelt, kommt schnell zu dem Schluss: Hier handelt es sich um gehobene Espressomaschinen-Pornografie. Der echte Kenner bestellt seine Jura, Brewtus oder 3-gruppige Vibiemme, "mein Träumchen", beim Spezialversender, als sei es eine Aufblaspuppe von Beate Uhse. "Maschine kommt sehr gut verpackt an", schreibt der Mann dann ins Internet. Dann zieht er es sorgsam aus, das Träumchen, und stellt es per Digitalfoto ins Netz. Erst noch diskret verpackt, dann enthüllt und dann - oh Schreck - komplett entkleidet: Das mit gelbem Isoschaum geschützte Innenleben der Maschine wird den anderen Kaffeefreunden im Netz schamlos in Großaufnahme präsentiert.
Ab sofort braucht dieser Mann keinen Sex mehr, er macht jetzt Milchschaum. Zwar beklagt der Mann auch beim Milchschaum das Problem der "zu geringen Volumenvergrößerung", aber da gibt es zwei Methoden, für die man nicht mal einen Krankenschein braucht: "zweimal Schlürfen" und "länger ziehen als rollen". Alles klar? Es geht um Milch, die aufgeschäumt wird im Silberkännchen.
Hat der Mann erst mal seine Espressomaschine, dann ist kein Halten.
Denn jetzt geht es erst los mit dem Tuning. Pimp my Espressomaschine, denn irgendwas ist immer ausbaufähig: Der Brühdruck, die Wassertemperatur, das Milchvolumen. Gehört er zur Sorte Schrauber, dann legt er Flexleitungen, Druckminderer, Brühkopfdichtungen und Siebträger. Er schraubt den Kesseldruck hoch und wundert sich trotzdem noch über das "Spratzeln aus der
Brühgruppe". Er tauscht sich in seiner Spratzel-Gruppe im Internet aus, wie er es am besten hinbekommt mit dem Mahlgradtuning, dem Tampern und dem Temperatursurfen. Bald muss das nächste Zusatzteil her, ein Manometer zum Beispiel, mit dem sich der Druck messen lässt. Oder eine eigene Röstmaschine. Und erst wenn dann die erste Crema perfekt auf der Tasse schwimmt, lehnt sich der Mann, der sich im Kaffeeforum stets "Röstaroma" oder "Koffein-Schock" nennt, erschöpft zurück: "Bin begeistert, wie viel besser mein Cappu jetzt schmeckt. Neun Jahre verschenkt!"
Verschenkt mit billigen Kaffeemaschinen? Oder mit Frauen? Die Frage stellt sich ernsthaft, denn Frauen kommen in dieser Welt nicht vor. Eine einzige traute sich in letzter Zeit ins größte deutsche Kaffeetrinkerforum, »
www.kaffee-netz.de. Die Unglücksmaus stellte sich als Studentin einer Fachhochschule für Produktdesign vor und wollte eine Umfrage machen zum Thema Nespressomaschinen. NESPRESSO! Das sind die mit den fertigen Tabs, an denen man gar nichts mehr schrauben kann, nichts tampern und nichts spratzeln. "Keiner von uns wird hier zugeben, jemals so ein Ding in der Hand gehabt zu haben", wird das arme Mädel zurechtgewiesen. Noch nicht mal anonym werde man ihre Weiberfragen beantworten.
Und drum, Frau, lass dir sagen: Wenn dich jemals einer fragt: "Kann es sein, dass du zu viel im Sieb hast?" Dann mach schnell die Espressomaschine aus. Und sag dem Kerl: "Und tschüss. Geh zurück in deine Brühgruppe!"
Druckversion von: http://www.brigitte.de/kochen/gourmet_ecke/ursula-ott-espresso/index.html
Text: Ursula Ott
Buch: Café Wunderbar.
Der Text von Ursula Ott stammt aus: "Café Wunderbar. Fragen und Antworten zu einem heißen Getränk", herausgegeben von Anne Buhrfeind. Edition Chrismon, 138 Seiten, 15 Euro.
Das Buch ist voll mit lustigen und informativen Geschichten rund um das Thema Kaffee, zum Beispiel zu Kaffeehäusern in Damaskus, scheußlichem Nica-Kaffee und Cafè-Flirts - auch Kaffee-Kenner erfahren hier noch Neues.